Grundsätzlich muss die fristlose Kündigung eines Arbeitsvertrages innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes erfolgen. Danach ist dies grundsätzlich nicht mehr möglich bzw. verbleibt nur die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung (also unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist).

„Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt gem. §626 Abs.2 Satz2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang“

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, 2 AZR 238/20, Urteil vom 01.10.2020) hatte nun den Fall eines Arbeitgebers zu entscheiden, der ein Betriebsratsmitglied fristlos kündigen wollte. Hier ist nach § 103 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht nur die normalerweise ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 102 BetrVG bzw. die Mitbestimmung einzuhalten.

Nach § 103 BetrVG ist vielmehr die positive Zustimmung notwendig. Verweigert der Betriebsrat diese, so bleibt dem Arbeitgeber nur das Anrufen des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht kann auf Antrag des Arbeitgebers die notwendige Zustimmung ersetzen. Das Problem ist nur, dass dieses Verfahren Zeit kostet, der Arbeitnehmer ist beteiligt, es findet eine Abwägung statt usw.. Im Regelfall ist dies innerhalb der 2-Wochenfrist natürlich nicht zu schaffen und dauert viel länger.

Scheitert damit die fristlose Kündigung eines BR-Mitglieds quasi generell, wenn sich der Betriebsrat quer stellt?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat es so gesehen und die fristlose Kündigung wegen Ablauf der 2 Wochenfrist für unwirksam erklärt.

Das BAG prüft, ob es eine Regelung für diese Situation gibt und verneint dies. Die Konsequenz findet es unbefriedigend, man könnte auch sagen unfair. Insofern nimmt es eine Regelungslücke an und versucht diese durch eine analoge Anwendung von Normen aus vergleichbaren Situationen zu lösen. Es verweist hier auf die Regelungen im Schwerbehindertenrecht.

Die Kündigung kann vielmehr auch noch nach Ablauf der Frist des §626 Abs.2 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung erklärt wird (BAG 25.April 2018 -2AZR 401/17-aaO; 16.November 2017 -2AZR 14/17-Rn.46, BAGE161, 69). Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 174 Abs.5 SGB IX. Die Interessenlage ist mit dem Fall des Erfordernisses einer Zustimmung des Integrationsamts gem. §174 Abs.1 iVm. §168 SGBIX vor einer außerordentlichen Kündigung vergleichbar, da auch die gerichtliche Ersetzung einer vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung innerhalb der Frist des §626 Abs.2 Satz1 BGB nicht zu erlangen ist. Mangels einer §174 Abs.5 SGB IX entsprechenden Regelung besteht eine Regelungslücke, die durch die analoge Anwendung von § 174 Abs.5 SGB IX zu schließen ist.

Im Ergebnis kann man dem zustimmen. Ob aber eine Regelungslücke vorlag bzw. der Gesetzgeber diesen Fall nicht gesehen hat oder fristlose Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern zusätzlich erschweren wollte, ist eine andere Frage.

Das Problem ist, dass ein Betriebsratsmitglied nicht ordentlich kündbar ist. Die Rückfallebene, die man bei einem normalen Mitarbeiter also hat, gibt es hier sozusagen nicht. Damit wäre, würde sich der Betriebsrat quer stellen, ein Betriebsratsmitglied de facto unkündbar. Man hätte nur die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrages mit extrem hoher Abfindung oder illegaler Methoden wie Erpressung und Mobbing. Das kann vom Ergebnis her auch nicht richtig sein.

Insofern ist die Entscheidung richtig und bestehen lediglich praktische Stolpersteine beim zeitlichen Regime.

Bandmann
Rechtsanwalt für Arbeitsrecht

Herr Martin Bandmann ist Ihr Ansprechpartner zum Arbeitsrecht in unserer Kanzlei – egal ob es nun um Beratung als Arbeitgeber bzw. Unternehmen im Vorfeld und Vertretung vor dem Arbeitsgericht geht oder umgekehrt Sie als Arbeitnehmer von Kündigung bedroht sind oder hiergegen vorgehen wollen.

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