Sachverhalt:

Der Kläger erhielt im August 2016 Kündigungen und erhob hiergegen eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Er gewann in erster Instanz. Der Arbeitgeber ging hiergegen in Berufung vor das Landesarbeitsgericht.
Während des Berufungsverfahren erhielt der Arbeitnehmer eine weitere fristlose Kündigung und eine hilfsweise ordentliche Kündigung vom Arbeitgeber zugestellt. Das war im Mai 2017.
Der Angestellte wollte diese Kündigungen ebenfalls nicht hinnehmen und schrieb im Berufungsverfahren (bzw. sein Anwalt), dass man diese Kündigungen ebenfalls zum Gegenstand des Berufungsverfahrens machen will. Später reichte er noch einen Schriftsatz ein, der detaillierte Klageanträge gegen diese weiteren Kündigungen enthielt.
Der Arbeitgeber nahm später seine Berufung zurück. Damit wurde das Urteil zur ersten Kündigung rechtskräftig, gleichzeitig erfolgt damit aber keine weitere Verhandlung zu den später ausgesprochenen Kündigungen. Der Arbeitnehmer erhob daher innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis eine separate Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht (1. Instanz) gegen die zweite Kündigungswelle.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen diese zweite Kündigungsschutzklage zurück und begründeten dies damit, dass die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage (in der Regel 3 Wochen ab Zugang der Kündigung) abgelaufen sei. Daher gelte die ausgesprochene zweite Kündigung als wirksam.

Urteil:

Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders. Es gab der Revision recht, hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und wies die Sache an die Vorinstanz zurück.

„… Es ist nach den bishergetroffenenFeststellungen nicht ausgeschlossen, dass der Kläger durch eine (erste) Klage zum Landesarbeitsgericht den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 Halbs.1 KSchG vermieden hat und es ihm auch nicht verwehrt ist, mit der vorliegenden (zweiten) Klage weiterhin die Rechtsunwirksamkeit der streitbefangenen Kündi-gungen vom 31.Mai 2017 gerichtlich geltend zu machen. …“

Die Schriftsätze im Rahmen des Berufungsverfahrens gegen die erste Kündigung könnten hier die Dreiwochenfrist für die Klage gegen die zweiten Kündigungen retten. Entscheiden dürfe dies das BAG zwar nach eigener Meinung im Rahmen der Revision nicht, dass müsse das Landesarbeitsgericht schon, aber es wurde schon zwischen den Zeilen klar, was das BAG erwartet.

Die Rücknahme der Berufung durch die Gegenseite hat also nicht dazu geführt, dass die zweite Kündigungsschutzklage im Rahmen des Berufungsverfahrens als (von Anfang an) als weggefallen gilt. Vielmehr kann sie die Dreiwochenfrist retten und man noch gegen die zweiten Kündigungen klagen.

Der Kläger habe nach der Beendigung des Berufungsverfahrens auch nicht lange gewartet, sondern in der Zweiwochenfrist eine neue Kündigungsschutzklage gegen die zweite Kündigung erhoben.

Warum nur innerhalb von 2 Wochen?

BAG: „… Denkt man diesen Regelungsplan weiter, ist die Gesetzeslücke durch
eine analoge Anwendung der in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bestimmten Frist zu
schließen. Das Abstellen auf die Zweiwochenfrist – und nicht auf die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG – ist in Abwägung mit den schutzwürdigen Belangen des Arbeitgebers sachgerecht, weil der Arbeitnehmer die Entscheidung, sich gerichtlich gegen die fragliche(n) Kündigung(en) zur Wehr zu setzen, bereits getroffen und sie auch schon einmal umgesetzt hatte. Er bedarf keiner längeren Überlegungs- und Vorbereitungszeit mehr, sondern muss nur die Klageerhebung „wiederholen“, nachdem der Weg zu einer Sachentscheidung über die erste Klage nachträglich versperrt wurde. Macht er die zweite Klage verspätet anhängig, ist sie – vorbehaltlich ihrer nachträglichen Zulassung bei unverschuldeter Versäumnis der Zweiwochenfrist – kraft einer spezialgesetzlichen Konkretisierung des Verwirkungstatbestands (§ 242 BGB, vgl. Rn. 15 zu § 4 Satz 1 KSchG) unbegründet. Die Interessenlage ist insoweit vergleichbar mit dem Erfordernis gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zu stellen.
….“

Im Ergebnis hat der Arbeitnehmer mächtig Glück gehabt, dass das Bundesarbeitsgericht ihm hier folgt. Der sicherere Weg wäre gewesen, eine „normale“ Klage vor dem Arbeitsgericht anhängig zu machen, parallel zu dem laufenden Berufungsverfahren über die erste Kündigung.

Warum sich der Anwalt des Klägers dafür entschied, wissen wir nicht. Vielleicht hoffte er auf einen Vergleich in der Berufungsinstanz oder wollte Kosten sparen – aufgrund der Gebührendegression ist eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz und damit höherer Gegenstandswert billiger, als ein getrennter Prozess. Das ist aber Spekulation.

Wichtig ist also, schnell zu handeln und die Fristen zu beachten.

Martin Bandmann
Anwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Bandmann bearbeitet seit 2004 arbeitsrechtliche Fallgestaltungen, besucht regelmäßig Fortbildungen, wie z.B. Fachanwaltskurse und vertritt Mandanten vor dem Arbeitsgericht / Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht. Dazu gehören nicht nur Kündigungsstreitigkeiten, sondern auch Fragen wie Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvereinbarung, Abmahnung oder rückständige Löhne u.v.m..

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