Die Strafkammer des Landgerichtes Berlin hat den Angeklagten wegen 4 x fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die Gefängnisstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und die Zahlung eine Geldauflage verhängt.

Am 06.09.2019 verlor der Kraftfahrer mit seinem SUV in Berlin-Mitte wegen eines epileptischen Anfalls die Kontrolle über seinen PKW und fuhr mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschengruppe. Er tötete 4 Fußgänger, davon ein kleines Kind.

Die Fahrerlaubnis wurde im Urteil entzogen und eine Sperre von 2 Jahren für eine etwaige Wiedererteilung verhängt.

Nach den Feststellungen des Gerichts hätte der Fahrer erkennen können und müssen, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Vorgeschichte nicht fahrtauglich war. Denn der Angeklagte hatte einen ersten epileptischen Anfall im Mai 2019 und eine Hirnoperation im August 2019 durchgeführt. Von verschiedenen Ärzten wurde ihm gesagt, dass weitere epileptische Anfälle auftreten könnten und er Medikamente einnehmen müsse. Wohl hätten einige Ärzte den Angeklagten zum Teil falsch oder zumindest unvollständig über seine Fahreignung aufgeklärt, allerdings treffe den Angeklagten wie jeden Fahrzeugführer und jede Fahrzeugführerin die Pflicht, vor jedem Fahrtantritt eigenverantwortlich zu prüfen, ob er bzw. sie tatsächlich am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Dieses Risiko habe der Angeklagte unterschätzt; nach seinen objektiven und subjektiven Fähigkeiten wäre er aber in der Lage gewesen, diese Fehleinschätzung zu vermeiden. Er hätte sich aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Angaben der verschiedenen Ärzte ausdrücklich danach erkundigen müssen, welche Regeln für ihn gelten.

Das Gericht kam nach Abwägung u dem Ergebnis, dass hier gerade noch eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe von zwei Jahren angemessen sei. Strafmildernd sei neben der teils unzureichenden Aufklärung durch einige Ärzte vor allem der Umstand zu werten, dass der Angeklagte durch seine eigenen Angaben und die Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht die umfassende Aufklärung des Falles erst ermöglicht habe. Dabei betonte der Vorsitzende, dass das Strafrecht angesichts des tragischen Todes von vier Menschen hier an seine Grenzen stoße. Nichts könne den Schmerz der Angehörigen lindern.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.

Meinung:

Leider kann niemand die Verstorbenen wieder lebendig und den Angehörigen ihr Leid ungeschehen machen. Man kann den tragischen Verkehrsunfall leider (nur) strafrechtlich, zivilrechtlich / versicherungsrechtlich und fahrerlaubnisrechtlich aufarbeiten.

Als Strafverteidiger muss man sagen, dass man den vorliegenden Fall auch anders bewerten könnte. Soweit man dem Angeklagten hätte nachweisen können, dass er um die Gefährlichkeit der Anfälle und deren Wirkung im Straßenverkehr wusste, dass er also wissentlich das Risiko in Kauf genommen hat und ihm daher der Eintritt des Schadens egal war. Dann ist die Tür zum bedingten Vorsatz eröffnet und wäre die Vollstreckung der Gefängnisstrafe kaum zu vermeiden gewesen. Die Abgrenzung zwischen „noch“ Fahrlässigkeit und schon „Eventualvorsatz“ ist in der Praxis oft sehr fließend. Hier muss der Verteidiger ansetzen und entlastende Punkte vortragen.

Umgekehrt können die Nebenkläger bzw. durch ihre Rechtsanwälte versuchen, diese Punkte mit herauszuarbeiten und so eine härtere Strafe zu erreichen.

Sicherlich wird der Fahrer erhebliche Probleme haben, seine Fahrerlaubnis wieder zu bekommen und medizinische Test zwecks Nachweis der Fahrtauglichkeit absolvieren müssen. Die Fahrerlaubnisbehörde wird hier hoffentlich sehr genau hinschauen und solche Gutachten fordern. In unserer anwaltlichen Praxis haben wir die Thematik solcher Gutachten zur Fahreignung unter verschiedenen Aspekten regelmäßig.

Sicherlich wird der Kfz-Haftpflichtversicherer des Autos Schadenersatzansprüche der Verletzten und Getöteten zivilrechtlich regulieren. Ein Regress durch diesen gegen den Fahrer wird im Zweifel aber nur sehr begrenzt möglich sein. Die Geschädigten bzw. ihre Angehörigen haben sich hoffentlich einen Fachanwalt für Verkehrsrecht genommen, um ihre Ansprüche prüfen und durchzusetzen. Die Kosten dafür muss der gegnerische Versicherer mit erstatten.

Rechtsanwalt Bandmann
Fachanwalt für Verkehrsrecht in Cottbus und Hoyerswerda