Kündigung
Kann ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter wegen einer HIV-Infektion kündigen?
Das Landesarbeitsgericht Berlin hatte mit Urteil vom 13.01.2012 eine Kündigung eines HIV-infizierten Arbeitnehmers – ebenso wie bereits das Arbeitsgericht Berlin in erster Instanz – bestätigt und auch eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandungsgesetz (AGG) verneint .
Im konkreten Fall handelte es sich laut der Pressemeldung um ein Pharmaunternehmen und war der Arbeitnehmer als chemisch-technischer Assistent bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich“ eingesetzt worden. Es gab eine allgemeine Richtlinie des Arbeitgebers, dass in diesem Bereich keine Mitarbeiter mit einer Krankheit, vor allem auch bei HIV, eingesetzt werden.
Nachteilig für den Arbeitnehmer kam hinzu, dass der Mitarbeiter sich noch in der Probezeit befand. Der Arbeitgeber kündigte mit der in der Probezeit möglichen verkürzten Kündigungsfrist.
Da der Mitarbeiter sich noch in der Probezeit befand, war das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht anwendbar. Dies ist erst bei einer Dauer der Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten der Fall (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Kündigung musste daher nicht sozial gerechtfertigt sein, sondern wurde nur an der wesentlich niedrigeren Schwelle von Treu & Glauben (§ 242 BGB) gemessen. Dazu darf die Kündigung nicht willkürlich sein – z.B. wegen Geltendmachung berechtigter Forderungen durch den Arbeitnehmer. Das Interesse eines solchen Unternehmens jegliche Verunreinigung im Reinraum zu vermeiden, insbesondere mit einer Art von Krankheitserregern, ist nachvollziehbar und sicher nicht willkürlich.
Eine Entschädigung nach dem AGG wurde verneint, da zum einen strittig ist, ob eine HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG ist. Nicht jede Krankheit ist eine Behinderung. Zum anderen wurde angenommen, dass die vorgenommene Ungleichbehandlung – hier der Ausschluss von erkrankten Mitarbeitern aus dem Reinraum – gerechtfertigt i.S. des AGG ist.
Die Klage und Berufung des Mitarbeiters wurde abgewiesen.
Fazit:
Es handelt sich um m.E. um einen klaren Sonderfall. Die Entscheidung wäre bei einem Mitarbeiter mit einem normalen Büroarbeitsplatz oder nach Ablauf der Probezeit und Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wahrscheinlich anders ausgegangen. Grundsätzlich berechtigt eine HIV-Infektion nicht zu einer Kündigung. Selbst in einem Pharmaunternehmen wäre (unter Geltung des KSchG) wohl zu prüfen gewesen, ob der Mitarbeiter nicht aus dem Reinraum in einen anderen Bereich versetzt werden kann bzw. die Versetzung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung in Betracht kommt.
Aktualisierung 20.12.2013
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hob am 19.12.2013 das Urteil des LAG Berlin auf und verwies die Sache zurück. Wegen der HIV-Infektion, ähnlich einer Behinderung, darf nach Gleichbehandlungsgrundsätzen nicht ohne Weiteres gekündigt werden.
Vielmehr sollen nun die Berliner Arbeitsgerichte prüfen, ob das Infektionsrisiko durch entsprechende Schutzmaßnahmen (Handschuhe u.ä.) vermieden und der Angestellte auch im Reinraum sicher arbeiten kann. Damit erhöht das BAG den Schutz HIV-infizierter, wie auch behinderter Arbeitnehmer.
Martin Bandmann
Rechtsanwalt für Arbeitsrecht
www.rechtsanwalt-bk.de
Herr Rechtsanwalt Bandmann bearbeitet vertieft das Arbeitsrecht, egal ob nun Kündigung, Arbeitszeugnis, Aufhebungsvertrag oder Abmahnung. Um diese Vertiefung zu dokumentieren und sich fortzubilden, hat er an einem theoretischen Kurs für den Titel „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ in Berlin erfolgreich teilgenommen. Ob Cottbus, Hoyerswerda, Senftenberg oder anderswo Ihr Arbeitsort, Wohnort oder Sitz Ihres Arbeitgebers ist, stehen wir Ihnen als Rechtsanwalt im Arbeitsrecht zur Verfügung.
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