In einem aktuellen Fall eines älteren Kraftfahrers oder Kraftfahrerin verlangt die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung medizinischer Gutachten zu der Frage, ob der Verkehrsteilnehmer noch fahrtauglich ist.

Das Problem ist, dass solche Gutachten Geld kosten und dies vom Verkehrsteilnehmer bezahlt werden muss. Zum anderen ist damit auch eine Menge Aufregung und „Prüfungsstress“ verbunden. Es geht um eine Menge, man ist auf die Fahrerlaubnis angewiesen und ist demzufolge auch oft aufgeregt.

Einfach nicht machen, geht auch nicht, da die Behörde dann auf die Nichteignung schließt, die Fahrerlaubnis entzieht und diesen Bescheid für sofort vollziehbar erklärt. Ein Widerspruch hilft also nur begrenzt, man darf trotzdem erst einmal nicht mehr fahren.

Insofern ist man in der Zwickmühle, das teure Gutachten beizubringen oder die Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine ganze Weile zu verlieren, keine schöne Situation.

Wichtig ist, dass wir hier über die Fahrerlaubnisklasse für PKW bzw. bis 3,5 t reden, also nicht über die Fahrerlaubnisklassen für z.B. Bus / LKW etc.. Diese höheren Fahrerlaubnisklassen sehen per se eine regelmäßige, anlasslose Überprüfung der Fahreignung für insbesondere sogenannte Berufskraftfahrer vor.

Im konkreten Fall wollte der Verkehrsteilnehmer weiterhin mit dem PKW am Straßenverkehr teilnehmen und hatte durch medizinische Gutachten belegt, dass er aktuell fahrtauglich ist. Das reichte der Behörde nicht. Diese mutmaßte, dass insbesondere aufgrund des gehobenen Alters sich der Gesundheitszustand (weiter) verschlechtern könnte und die Fahreignung daher „demnächst“ nicht mehr gegeben wäre. Sie forderte in einem Bescheid, dass der Kraftfahrer in ca. 1,5 Jahren wieder ein medizinisches Gutachten zur Fahreignung beibringen müsse und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Der Kraftfahrer ließ sich durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten und im Verfahren gegenüber der Behörde vertreten. Es wurde Widerspruch und letztlich eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Cottbus eingereicht. Flankiert wurde diese vom Rechtsanwalt durch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dahingehend, dass die sofortige Vollziehung bzgl. der Anordnung des Gutachtens ausgesetzt wird und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs / Klage wieder eingesetzt wird. Andernfalls hätte der Kraftfahrer im Hinblick auf die üblicher Verfahrensdauer das Problem gehabt, mitten im Verfahren zur Einhaltung der Frist ggf. doch das Gutachten machen zu müssen. So schnell ist der Verwaltungsrechtsweg meist leider nicht.

Mit Beschluss vom 20.03.2023 entschied das Verwaltungsgericht Cottbus zugunsten des Antragstellers, „die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Auflagenanordnung … wird wiederhergestellt“ und führte u.a. aus:

Die Anordnung der Auflage, ein Gutachten als Nachbegutachtung von einem Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 FeV erfüllt, bezüglich der Erkrankungen …. zur Prüfung der Fahreignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vorzulegen, wird sich nach Aktenlage bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig erweisen.

Es fehlt bereits am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 46 Abs. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegt das Merkmal der „bedingten Eignung“ nicht vor, der Antragsteller ist vielmehr aufgrund des zuletzt beigebrachten Gutachtens als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 anzusehen.

Das Tatbestandsmerkmal der bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen setzt ebenso wie die Ungeeignetheit einen Eignungsmangel i.S.d. § 3 Abs. 1 StVG, § 11 Abs. 1 FeV voraus. Hierunter fällt insbesondere eine Krankheit oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV, aufgrund derer die Eignung nur unter Einschränkungen angenommen werden kann. Neben den dort aufgeführten körperlichen oder geistigen Mängeln können Krankheiten generell eine Nichteignung / nur bedingte Eignung bewirken, wenn sie die Fahrtüchtigkeit entweder ständig unter das erforderliche Maß herabsetzen oder auch nur die erhebliche Gefahr einer plötzlich und überraschend eintretenden Fahruntüchtigkeit bilden. ... Allein die Befürchtung, aufgrund des fortschreitenden Alters des Antragstellers könne sich eine Verschlechterung seines Zustands und seiner Fahreignung ergeben, rechtfertigt nicht die Annahme, er sei – derzeit – nur bedingt fahrgeeignet.

Die Entscheidung ist auf Basis der aktuellen Gesetzeslage folgerichtig. Es gibt keine anlasslose Überprüfung für Kraftfahrer dieser Fahrerlaubnisklasse (PKW).

Natürlich steht es dem Gesetzgeber frei, dies ggf. zu ändern und gab es hierzu immer wieder rechtspolitische Erwägungen. Stand heute ist dies aber nicht der Fall und kann daher nicht über die Hintertür von medizinischen Gutachten eingeführt werden.

Eine andere Frage ist, ob man als Kraftfahrer mit gesundheitlichen Einschränkungen nicht so vernünftig ist, selber auf das Fahren zu verzichten oder zumindest keine weiten Strecken zu fahren, nicht im Dunkeln zu fahren oder wenn es einem nicht gut geht, sich fahren zu lassen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht empfehlen wir dies unseren Mandanten ausdrücklich. Sinnvoll ist auch die Wahl eines Autos mit möglichst vielen elektronischen Helfern, wie z.B. aktiven Spurhalteassistent, Überholwarner, Notbremsassistent oder Querverkehrswarner, soweit der Geldbeutel das zulässt.

Dies betrifft aber nicht nur ältere Kraftfahrer. Auch jüngere Kraftfahrer haben aus unserer Praxiserfahrung z.T. erhebliche Einschränkungen der Fahrfähigkeit (z.B. Epelipsie, Sehfähigkeit, BtM, Alkohol, Übermüdung, psychische Ausnahmesituation / Stress) und sollten in diesen Situationen nicht fahren bzw. dürfen es auch nicht.

Bandmann
Fachanwalt für Verkehrsrecht
ADAC-Vertragsanwalt